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Teglingen - Einst und Heute

Aus der Geschichte einer Bauernschaft
von Anton Egbers (1999)
Teglingen  Einst und Heute
Teglingen - Alter und Name (Seite 13-16)

Südöstlich von Meppen, der Kreisstadt des Emslandes, liegt das Dorf  Teglingen. Wenn man - gleich aus welcher Himmelsrichtung - ins Dorf kommt, stellt man fest, dass es sich um einen ansprechenden, suberen und traulichen Ort handelt. In lockerer Form wechseln Höfe und Einfamilienhäuser. Kirche, Jugendheim, Schule, Dorfplatz und Landgasthof  bilden die Mitte des Dorfes, wo sich Öffentlichkeit abspielt. An Werktagen sehen wir auf dem Schulhof eine kleine Kinderschar spielen, sofern ihnen der Unterricht gerade eine Pause gewährt. Sonntags stehen nach dem Gottesdienst Grüppchen von Frauen und Männern vor der Kirche, die sich unterhalten. Andere streben dem Gasthof zu, um den Gedankenaustausch beim Glase Bier fortzusetzen.
Die Kirche wurde Anfang dieses Jahrhunderts gebaut. Das Zifferblatt der Turmuhr trägt die Jahreszahl 1884 und stammt vom Turm der alten Kirche. Es ist also nicht alles neu, wie der erste Eindruck, wenn man ins Dorf kommt, glauben macht.


Tatsächlich ist das friedliche Nebeneinander von Kirche und Schule schon seit Jahrhunderten nachzuweisen. Die Ansiedlung Teglingen aber ist weitaus älter. Vor einigen Jahren, als ich schon den Entschluß gefaßt hatte, alles Wissenswertes über Teglingen zusammenzutragen, erhielt ich ein kleines Notizheft zu lesen. Es wurde geschrieben von unserem früheren Nachbarn Hermann Brand. Er war nicht verheiratet und so nannte man ihn liebevoll "Abels Onkel Hermann". Er wurde 1865 in Teglingen geboren und hat im Laufe der Zeit aus seinem Gedächtnis und vom Hörensagen eine Menge aus der Teglinger Geschichte aufgeschrieben. Am Anfang seiner Ausführungen meint er, Teglingen müsse sehr alt sein und dürfte schon um 900 existiert haben. Er trifft damit den Nagel auf dem Kopf, oder wußte er bereits von der noch vorhandenen Urkunde, die seine Aussage bestätigt. Diese Urkunde stammt aus dem Jahre 1037 und liegt heute noch in einer Abschrift von 1479 vor. 1) Sie hat (in moderner Übersetzung) etwa folgenden Wortlaut:
"Im Jahre der Geburt des Herrn 1037 erhielt der ehrwürdige Abt Truchtmar zu Korvey eine gewisse Kirche in Boclo mit allem Zubehör von einem Mann namens Reginhold, dem sie kraft Erbrechtes gehörte, auch mit dem Priester derselben Kirche namens Adimannus. Diese Kirche hatte der Hochwürdigste Bischof Dodo von Osnabrück eingeweiht, wie nachstehend berichtet wird:
Zu wissen sei allen Gläubigen, sowohl gegenwärtigen als zukünftigen, daß der Hochwürdigste Bischof Dodo von Osnabrück aus Ehrfurcht gegen unseren Herrn Jesus Christus und den hl. Petrus eine Kirche in Boclo einweihte am Feste der Himmelfahrt Mariens. Zu dieser Kirche gehören Huvenni (Hüven), bernsium-iterum Bernsium (Groß- und Klein- Berßen), Apulderium (Apeldorn), derigun item derigun (Groß- und Klein-Dörgen), helerithi (Lehrte), boclithi (Bückelte), hallithi (Helte), Tehtlingi (Teglingen), staverrenar (Stavern), hlares (Lahre), huthun (Huden)."

 

Uns interessiert in erster Linie der zweite Absatz der Urkunde mit dem Bericht über Bischof Dodo von Osnabrück. Nun gab es aber zwei Bischöfe mit dem Namen Dodo. Dodo I. war von 919 - 949 oder 952 Bischof von Osnabrück und Dodo II. von 978 - 996. Die heutige Forschung geht davon aus, daß die Kirchweihe von Dodo II. - also zwischen 978 und 996 - vorgenommen wurde. 2) Umstritten ist die Aussage Diepenbrocks, 3) Teglingen sei 946 zum Kirchspiel Meppen gekommen. Er stützt sich dabei auf Falke, der wiederum wegen mannigfacher Unsicherheiten nicht allgemein anerkannt wird. 
Eine Vielzahl von Fragen wartet also noch auf Antworten. Uns sind die fehlenden Antworten wenig hinderlich, denn die erste Erwähnung des Namens Teglingen führt uns so oder so ins 10. Jahrhundert und warum sollten wir da nicht bei dem Datum 948 bleiben, das auch Grundlage des Bokeloher Jubiläumsjahres 1948 war.
Das Dokument von 1037 ist vergleichbar mit einem Scheinwerfer, der für einen kurzen Augenblick eingeschaltet wird, uns die Namen bestimmter Orte lesen läßt und wieder erlischt. Der dunkle Schleier der Zeitgeschichte wurde kurz gelüftet und senkt sich gleich wieder für Jahrhunderte.

Für die Deutung des Namens Teglingen sind Endung und Bestimmungswort getrennt zu sehen. Die Endung "ingen" kommt sowohl im süddeutschen wie auch im norddeutschen Raum sehr häufig vor (z.B. Sulingen, Löningen, Teglingen, Schwefingen, Mehringen, Balingen) und deutet nach vorherrschender Meinung auf Ortsgründungen im frühen Mittelalter etwa von 800 - 1100 hin. Das Wort "teht" bedeutet nach Hermann Abels 4) so viel wie Gerichtsort, wobei "eh" wie "ech" gesprochen wird. Es soll fränkischen Ursprungs sein und aus dem 9. Jahrhundert stammen. 5) Das Wort "lingi" hat die Bedeutung Fluß oder auch einfach Ort. Wenn wir Tehtlingi mit Gerichtsort wiedergeben, ohne auf eine Lage am Wasser oder Fluß einzugehen, so reicht eine solche Deutung hinlänglich. Schließlich war Teglingen über viele Jahrhunderte der Ort, an dem das jährliche Holzgericht abgehalten wurde.

Wenn also Teglingen bereits im 10. Jahrhundert seinen Namen von dem dort ansässigen Holzgericht ableitet, dürfte die Ansiedlung tatsächlich noch um einiges älter sein. Mag sein, daß der adelige Hof, mit dem die Gerichtsbarkeit verbunden war, bis in die Zeit Karls d. Großen zurückreicht. Doch fehlt dafür ein archivalischer Nachweis.

Anmerkungen:
1) Dr. Phlippi, Osnabrücker Urkundenbuch Bd. I, Nr. 136 (Abs. 1 des deutschen Textes und Nr. 80 (2. Absatz des deutschen Textes)
2) u.a. Josef Prinz, Studien und Vorarbeiten zum historischen Atlas Niedersachsens, Heft 15 1934, S. 64
3) I.B. Diepenbrock, Die Geschichte des ehemaligen Amtes Meppen, S. 142
4) Hermann Abels: Die Ortsnamen des Emslandes, Paderborn 1927, S. 56
5) Adolf Bach, Deutsch Namenkunde Bd. II/I, Heidelberg 1953, S. 80

  Der "älteste Teglinger" (Seite 17-20)

An einem bitterkalten Dezembertag im Jahre 1937 wurden Kinder der Oberklasse der Teglinger Volksschule kurz vor Weihnachten in das südwestliche Gemeindegebiet geführt, um der Ausgrabung eines Steinzeitgrabes beizuwohnen. Laut Eintragung in der Teglinger Schulchronik war dies am 21.12.1937. Außer der Tatsache, daß es sich um ein Steinzeitgrab handelte, blieb mir nur das seltsame Gebaren des Lehrers der Siedlerschule Osterbrock im Gedächtnis haften. Er mahnte uns, uns dessen bewußt zu sein, daß wir uns auf heiligem Grund und Boden unserer germanischen Vorfahren befänden und uns dementsprechend würdig zu verhalten hätten. Dieser Tenor entsprach voll den damaligen politischen Thesen vom Germanentum sowie dem Mythos von Blut und Boden.
Wenn in der Überschrift von dem "ältesten Teglinger" die Rede ist, so kann diese Aussage nur bedingt aufrecht erhalten werden. Es handelt sich um das Grab eines Menschen, der vor tausenden von Jahren auf späterem Teglinger Gemeindegebiet beerdigt wurde. Zum Zeitpunkt der Ausgrabung gehörte dieses Gebiet vorübergehend für einige Jahre zum Gemeindegebiet Osterbrock. Andererseits wissen wir auch nicht, ob er der "älteste"  ist, weil schon andere vor ihm hier gelebt haben können. Fest steht dennoch, daß er der älteste Mensch in unserer nächsten Umgebung aus der jüngeren Steinzeit ist, von dessen Existenz wir Spuren gefunden haben und somit die Gewißheit erlangten, daß unsere Gegend zu der Zeit schon besiedelt war.

Dr. Albert Genrich vom Landesmuseum Hannover hat 1937 die Grabung durchgeführt und anschließend einen Bericht darüber veröffentlicht. Die gefundenen Gegenstände befinden sich heute im Landesmuseum in Hannover. Hier folgt auszugsweise der Bericht des Dr. Genrich:

1. Die Grabung

Die Untersuchung des Hügels wurde veranlaßt durch das vorbildliche Verhalten des Siedlers Hennekes in Osterbrock. Um ein Stück Land zu kultivieren, trug er eine kleine Bodenwelle ab, die als Grabhügel nicht ohne weiteres zu erkennen war. Als er in die Nähe der Bestattung kam, fiel ihm bereits auf, daß er eine künstliche Erhöhung vor sich hatte. Da er ohne jedes Wissen von urgeschichtlichen Dingen war, grub er jedoch weiter, bis er auf einen Flintabschlag und eine Streitaxt stieß. Er lieferte beides ordnungsgemäß über den Lehrer des Ortes an das Landratsamt ab, das die Meldung an das Landesmuseum weitergab.
Die Untersuchung wurde sofort im Dezember 1937 vorgenommen. Sie wurde erschwert durch die herrschende Kälte, die eine Abtragung des ganzen Hügel verbot, da der Boden so gefroren war, das er z.T. mit der Spitzhacke aufgelockert werden mußte.

Nach einer Glättung der Fläche und des Profils war folgendes zu erkennen. Das Grab erstreckte sich in seiner Längsrichtung von Südwesten nach Nordosten. Es war nur zum Teil abgedeckt. Über seinem Südwestende wölbte sich noch der Hügel, so daß es auch im Profil noch erkennbar war. Die Stelle, wo Hennekes die Streitaxt und den Flintabschlag gefunden hatte, war noch zu erkennen, da dort in einem Umkreis von 25 cm tiefer gegraben war. Der Hügel selbst war aus einem einheitlichen gelbbraunen Sand aufgeschüttet, der von Ortsteinbändern und -zapfen durchsetzt war. Das Grab selbst war etwas in den gewachsenen Boden eingetieft. Seine Umrisse wurden von einem viereckigen Holzkohlestreifen gebildet. Die Untersuchung von Dr. Schneider, botanisches Institut der Technischen Hochschule Hannover, stellt fest, daß es sich um Eichenholz handelte. Die Grabgrube selbst war mit einem grauen Sand gefüllt und wurde nach oben hin breiter. Der untere Teil war von Holzkohle durchsetzt. Aus dieser Schicht stammen auch die Funde. Der ganze Hügel war von einer Schicht grauen Wehsandes überdeckt, der ihm auch die unregelmäßige Form einer Düne verschaffte, so daß er als Grabhügel ohne weiteres nicht zu erkennen war (Abb1).

Das Grab war also eine unter Bodenniveau angelegte Bohlenkiste aus Eichenholz. Beim Zusammensturz dieser Kiste bildetet sich darüber die beobachtete Mulde, die späterhin von Wehsand wieder ausgefüllt wurde.
Beim Ausräumen des Grabes fanden sich noch die Scherben eines schön verzierten Bechers. Der viereckige Holzkohlestreifen konnte vor allem in dem ungestörten Südwestteil des Grabes besonders deutlich beobachtet werden.
Eine Umfassung des Grabhügels durch Palisaden oder Kreisgraben war nicht vorhanden.

Abb1

2. Der Grabbau

Das Grab entspricht nach der Lage im Hügel und der Bauform den jütischen Untergräbern. Das in Jütland häufige Steinpflaster findet sich allerdings nicht. Wir müssen uns nach dem Grabungsfund vorstellen, daß für den Toten eine Bohlenkiste errichtet wurde, in der der Tote, nach Länge des Grabes von etwa 2 m zu urteilen, vielleicht in gestreckter Lage bestattet wurde. Die umrahmenden Bohlen konnten mit aller Deutlichkeit noch erkannt werden, während die waagerechten Teile durch den Einsturz der Kiste so zerstört wurden, daß von ihnen nur noch die Holzkohlereste zeugen. Auffällig ist es, daß die im benachbarten Holland so oft beobachtete Einfassung des Grabhügels durch Palisaden oder Kreisgräben nicht vorhanden war (Abb2). Neben den schon erwähnten Untergräbern kommen ähnliche Anlagen auch in Mitteldeutschland in der älteren sächsisch-thüringischen Schnurkeramik vor, wo ebenfalls z. T. Holzeinbauten vorhanden waren.

 Abb2

3. Die Funde

 

Der Becher, der schon in alter Zeit, wahrscheinlich beim Zusammenstürzen der Bohlenkiste, zerstört war, konnte im Landesmuseum wieder zusammengesetzt werden. Die fehlenden Teile wurden ergänzt (Abb1a).
Es handelt sich um ein schlankes Gefäß mit geschweiftem Profil von rötlich gelber Farbe mit sorgfältiger Glättung. Die Wandung ist sehr dünn. Der Fuß ist zuerst ein wenig eingezogen. Dann folgt der bauchige Unterteil. Darüber erhebt sich, ohne vom Unterteil abgesetzt zu sein, ein wenig ausschwingender Oberteil. Die Verzierung besteht aus fünf Zonen von Schnureindrücken, die durch zwei spiralig umgelegte Schnüre erzeugt wurden, so daß vier oder fünf Schnurpaare übereinander jeweils eine Zone bilden. Die oberste Zone setzt wenig unter dem Rand an, die unterste befindet sich etwas über der größten Weite des Unterteils.
Der beschriebene Becher wird durch die Verzierung und seine Form, vor allem den sehr schlanken Bodenansatz in die Gruppe der Schnurzonenbecher gestellt.
Die aus unserem Grabe stammende Streitaxt, anscheinend aus Porphyr, hat eine nur wenig konkave Oberseite, die Unterseite ist fast gerade. Der Nacken ist dick und nicht sehr sorgfältig ausgearbeitet. Er ist, anscheinend durch den Gebrauch, etwas ausgesprungen. Die Schneide ist überhaupt nicht nach unten ausgeschwungen. Das Schaftloch ist etwas nach dem Nacken zu verlagert. In der Höhe des Schaftloches ist die Axt verdickt, so daß an den Seitenflächen etwas gerundete Kanten entstehen. Die Seitenflächen sind nur wenig gewölbt, so daß der Querschnitt fast rechteckig ist. Sowohl auf der Oberseite als auch auf der Unterseite finden sich flache Mulden (Abb3). Sowohl der achteckige Querschnitt, wie auch die gerade Oberseite und die Mulden stellen unsere Axt in eine Linie mit den Streitäxten der jütländischen Untergräber.
Der ebenfalls der Bestattung beigefügte Flintspan ist ein langer, spitz auslaufender, leicht gebogener Abschlag aus grauem Feuerstein, dessen Kanten nur wenig ausgesprungen, aber nicht retuschiert sind. Lediglich wenig unter dem Schlagbuckel finden sich an einer Kante zwei Einkerbungen, die möglicherweise zur Befestigung eine Schäftung gedient haben. Jedoch kann es zweifelhaft erscheinen, ob die Kerben willkürlich erzeugt wurden.

Abb1aAbb3

4. Die Zeitstellung

Das beschriebene Grab entspricht nach der Anlage den jütischen Untergräbern und den Schachtgräbern mit Holzeinbau der älteren sächsisch-thüringischen Schnurkeramik. Auch Becher und die alte Form der Streitaxt lassen uns zur gleichen Zeitansetzung gelangen.
Es ist bisher noch nicht gelungen, das Ursprungsland der Schnurkeramik einwandfrei festzulegen. Mitteldeutschland und Norddeutschland sind dafür in Anspruch genommen worden. So müssen wir uns also mit der Feststellung begnügen, daß wir eine der älteren Bestattungen des über ganz Mittel= und Osteuropa verbreiteten Volkes der Schnurkeramiker oder Einzelgrableute in dem westlichen Teil unserer Provinz vor uns haben. Dieser Vorstoß dürfte etwa gleichzeitig mit dem sein, der die Einzelgrabsitte in der Gestalt der Untergräber nach Jütland und dem übrigen Norden gelangen ließ. Es dürfte etwa um 2000 bis 1800 Jahre vor Christi Geburt gewesen sein.